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Die LGBT+ Community in Polen: Einblicke in die aktuelle Situation

Polen


Zu Beginn war ich vor allem überfordert. Überfordert vom Alleinreisen, überfordert von meinem sehr komplexen und vielfältigen Thema „Wie ergeht es der LGBT+ Community in Polen?“ und überfordert von den ganzen Gedanken, Hoffnungen und Erwartungen. Doch inmitten dieser Überforderung kam mir das Glück doppelt entgegengeflogen...

Die Müdigkeit steckte mir tief in den Knochen. Nach der mehrstündigen, nächtlichen Reise von Berlin nach Warschau stieg ich aus dem überfüllten Bus aus. Ich, mit voll- gepacktem Rucksack, starrte nach oben, auf das Wolkenkratzerlabyrinth der Metropole. Ich fühlte mich eine wenig wie „Kevin allein in New York“. Ich wusste nicht so genau, was mich hierhin verschleppt hatte, was der nächste Schritt war und wo ich nächtigen würde. Denn mein vermeintlicher Gastgeber hatte kurz zuvor abgesagt.

Doch die Entwicklung des Tages stand symbolisch für meine 30-tägige zis-Reise in Polen. Zu Beginn war ich vor allem überfordert. Überfordert vom Alleinreisen, überfordert von meinem sehr komplexen und vielfältigen Thema „Wie ergeht es der LGBT+[1] Community in Polen?“ und überfordert von den ganzen Gedanken, Hoffnungen und Erwartungen. Doch inmitten dieser Überforderung kam mir das Glück doppelt entgegengeflogen.

Denn an diesem besagten ersten Reisetag traf ich auf das Paar Kamil und Paul, die ich mehr durch Zufall vermittelt bekam. Sie führten mit mir nicht nur das erste Interview über die LGBT+ Community in Polen, ihre Erfahrungen und Hoffnungen, sondern sie übergaben mir an diesem Abend auch den Schlüssel, der mir das Tor zu meiner aufregenden Reise öffnete. Ich befand mich, gerade einmal drei Stunden nach der Begegnung, alleine in einer voll ausgestatteten Einzimmerwohnung an der Weichsel, in der ich zehn (!) Tage kostenlos wohnen durfte.

Nach dieser glücklichen Wendung konnte ich mich vollends dem Thema widmen. Denn in Polen ist die Lage der LGBT+ Community, gemessen daran, dass Polen ein demokratisches EU-Mitgliedsland ist, prekär. Seit 2019 gibt es in Polen 100 Kommunen, die sich als „LGBT-freie Zonen“ deklarieren. Diese Resolutionen sind eine Absichtserklärung der Regionalregierungen, die klarmachen, dass Menschen, die nicht dem hetero-cis[2] normativen Bild entsprechen, nicht erwünscht sind. Darüber hinaus berichteten mir meine Ansprechpartner*innen davon, dass sie in dem sehr katholischen Land häufig Opfer von Anfeindungen verbaler aber auch physischer Art wurden. Um die Situation der LGBT+ Community in Polen einzuschätzen, muss man die rechtliche Lage verstehen. Deshalb sprach ich mit Jakub Urbanik, der Rechtsprofessor an der Universität Warschau ist. Er erklärte mir, dass in Polen Ehen nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden dürfen. Als er und sein Mann in Spanien heiraten wollten, verweigerte ihm eine polnische Behörde die notwendige Erlaubnis. Er erläuterte mir den nervenaufreibenden, langen juristischen Prozess, der ihn bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte brachte. Diese Schicksalsschläge und individuellen Reaktionen in Form von politischem, juristischem Widerstand und Aktivismus begleiteten mich während meiner ganzen Reise.

Selbstverständlich beschäftigte ich mich auch mit der kollektiven Form der Solidarität. Beispielsweise besuchte ich das Büro von „Lambda“, der ältesten LGBT+ Organisation Polens, die „safe spaces“, eine telefonische „Helpline“ sowie kostenlose Psychotherapie anbietet. Allgemein kam ich zu dem Schluss, dass es zahlreiche, aber finanziell schlecht ausgestattete Hilfsprojekte, Organisationen, Wohnheime, „Prides“ und andere An- laufstellen in Polen gibt. Doch auffällig ist, dass diese Organisationen, wie auch LGBT+ Personen, aus unterschiedlichen Gründen vor allem in liberalen Großstädten beheimatet sind. Die Problematik der Community ist unfassbar mannigfaltig und beinhaltet historische, politische und religiöse Implikationen, die ich hier nicht weiter ausführen kann. Wer diese Einordnungen sowie meine Interviews und Eindrücke ausführlich nachlesen mag, den verweise ich gerne auf meinen Reisebericht (E-Mail an info(at)zis-reisen.de).

Meine Rückfahrt fand im Übrigen auch in der Nacht statt. Müde war ich allerdings nicht mehr...

 


[1] LGBT+ ist ein Akronym für lesbische, schwule, bisexuelle, Transgender oder allgemein queere Menschen.

[2] „Hetero“ bezieht sich auf heterosexuell. „Cis“, kurz für „Cisgender“, bezeichnet Personen, die sich mit ihrem, auf dem Geburtenregister eingetragenen Geschlecht (im Gegensatz zu bspw. Transgender-Personen) identifizieren.


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