Seit Menschengedenken ist die Mime in der menschlichen Kultur verankert. Vor einem Jahr kam auch ich selbst nicht an der Erfahrung vorbei, die Händler schon vor Hunderten von Jahren[nbsp] machten: das Sich-Verständigen mit Händen und Füßen, wenn man nach dem Weg fragt oder eine Sinn ergänzende Erkenntnis durch das Lesen der Mimik von seinem Gegenüber.
Kurzum: die Mime ist auch heute noch vorhanden, wenn man sich nur wieder ein wenig auf die Grundelemente menschlicher Kommunikation zurückbesinnt. Während diese These mir zu Beginn meiner Reise die interessanteste schien, entdeckte ich: je mehr Fachleute – Dozenten an Pariser Mime-Ateliers wie auch Kunsthistoriker – ich befragte, es eröffneten sich viele Facetten und Problemstellungen dieses Genres.
Als ich mich in Paris von meiner Mitfahrgelegenheit an der Porte de la Chapelle absetzen ließ, stand ich vor demselben Problem, dem wohl alle zis-Reisende während ihrer Reise begegnen: Wie sollte ich einen Menschen, den ich weder kannte noch beschreiben konnte, erkennen? Das mulmige Gefühl diesbezüglich erwies sich bei meiner Ankunft und bei weiteren Treffen mit Fremden als völlig unbegründet, denn jeder sollte ein junges Mädchen, das in alle Richtungen mit dem Blick suchend die Umgebung mustert als die gesuchte Person identifizieren.
Ein deutsches Au-Pair-Mädchen, das ich über eine Freundin per E-Mail kontaktiert hatte, holte mich an der Porte de la Chapelle ab. Wieder erwiesen sich anfängliche Zweifel, mit einem fremden Mädchen über zwei Wochen ein 6m² großes Zimmer zu teilen, als grundlos. Dank ihrer Hilfe lernte ich schnell weitere Leute kennen, mit denen ich auch jetzt noch häufig Kontakt habe und die mir während meiner Reise immer wieder mit Rat und Übersetzungshilfe zur Seite standen. Sie führten mich in die Sitten der Pariser Großstadt ein und verhalfen mir zu einer schnellen Orientierung, sodass ich meinen Fremdenstatus rasch ablegen konnte.
Ein anderes Problem sollte mich jedoch viel mehr beschäftigen. Bei meiner Vorbereitung hatte ich über das Pariser Jahrmarktstheater recherchiert, welches laut Internet an bestimmten Daten stattfinden sollte. Ich sollte schnell erkennen, dass ich die französische Seite missverstanden hatte – die heutigen Jahrmarktstheater haben mit den früheren Spektakeln nicht mehr viel gemein. Also musste ich diesen Schwerpunkt streichen und mich nach neuen Informationsquellen umsehen. Im Nachhinein ein Glücksfall, denn ich suchte verschiedene Plätze nach Straßenkünstlern ab und wurde fündig. Als ich mit Händen und Füßen und meinem Schulfranzösisch von meinem Projekt erzählte, wurden mir Theater, Zirkusveranstaltungen und Ateliers empfohlen. Man nannte mir Namen von potentiellen Ansprechpartnern und durch einen im Vorfeld aufgebauten Email-Kontakt mit einer Mime-Schule gelang es mir, den Kontakt mit Monsieur Leabhart, einem der engsten Mitarbeiter und Gefährten von Etienne Decroux, aufzunehmen, der mich u.a. an seinem Unterricht teilhaben ließ.
Ich kam zu der Feststellung, dass es lediglich einen kleinen, eng geschlossenen Kreis von Mimen gibt. Alle Mitarbeiter der Ateliers und Schulen kannten sich untereinander und vermittelten mich andere Kollegen und deren Schülern weiter oder ließen sich dazu verleiten, konservative Züge ungeliebter Kollegen anzudeuten. Mehr als einmal musste ich mich mit knappen Antworten begnügen, als ich das Thema Marcel Marceau anschnitt. Erst gegen Ende meiner Reise traf ich auf die jüngere Generation der Schüler, die nicht mehr den strengen Unterricht von Etienne Decroux erlebt hatte, und mir daher bereitwilliger über das Missverhältnis zwischen den Anhängern der Mime und denen der Pantomime, also denen von Decroux und denen von Marceau, erzählten.
So konnte ich in dem Monat viele Eindrücke über mein Thema – über das ich auch jetzt an der Uni weiterhin recherchiere und eine Arbeit schreibe – sammeln. Ich bin während dieses Monats um einige Erfahrungen reicher geworden und warte auf die nächste Gelegenheit, eine neue Tour ins Ausland unternehmen zu können, um weitere Herausforderungen zu erleben.