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Leben bei Gott in Frankreich - in 40 Tagen durch 5 Klöster

Frankreich


Stress, Hektik, Eile. Schnell noch hier etwas erledigen, dort noch hinfahren, den noch anrufen. Und immer hat man noch so entsetzlich viel zu tun – die „To-do-Listen“ bieten Beschäftigung für die nächsten sechs Monate. Ich kenne all das nur zu gut. Aber es gibt Menschen, die ganz anders leben – in einem Kloster.

Das war es, was ich zu entdecken mir wünschte, was ich kennen lernen und erfahren wollte. In dem Reisestipendium von zis fand ich die Möglichkeit, in einen mir völlig fremden Bereich menschlichen Daseins einzutauchen. Denn ich bin weder katholisch noch sonderlich religiös, „Kloster“ war für mich nur ein Begriff, ein Ausdruck für ein anderes, exotisch erscheinendes Leben – ein abgeschiedenes Leben, zu dem ich unter gewöhnlichen Umständen keinen Zugang erhalten würde.

Durch zis wurde ich schließlich ausgerüstet mit Reisegeld, einem Empfehlungsschreiben von der UNESCO und vielen guten Ideen zur Realisierung meines Projektes. Der letzte Schritt allerdings, der Aufbruch allein ins Unbekannte, lag bei mir. Und so startete ich am 14. Juli 2002 mit gepacktem Rucksack meine Reise, um kontemplatives Ordensleben in Frankreich zu erkunden. Begleitet wurde ich von einem Gefühlswirrwarr aus gespannter Erwartung, lebhaftem Erkundungsgeist, leichter Nervosität und der Angst, den kommenden Ereignissen und Aufgaben und vor allem der fremden Sprache vielleicht nicht gewachsen zu sein.

Zahlreiche Fragen nahm ich mit auf den Weg, es gab so viele Themen, zu denen ich etwas erfahren wollte:

  • Warum treten Menschen einem Orden bei?
  • Warum unterwerfen sich die Ordensleute strengen Regeln und legen die Gelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam ab?
  • Steht das Gehorsamsgelübde einem Leben in Freiheit und Entfaltung entgegen?
  • Was denken die Nonnen in den unzähligen Stunden der Stille?
  • Wie kann das enge Zusammenleben einer Gruppe von Individuen funktionieren, die Jahre und Jahrzehnte das selbe Leben teilen?

Alle diese Fragen konnte ich im Zuge meines Projektes beantworten und habe die Ergebnisse in meinem Studienbericht ausgearbeitet. Es waren sogar noch mehr Fragen, die mir zu Beginn meiner Arbeit kamen. So zum Beispiel:

  • Wie wirkt sich der Verzicht auf Partnerschaft und Familie aus? Sind die Schwestern einsam und frustriert?

Die  Ora  Die

Durch die Begegnungen und Gesprächen mit den Schwestern habe ich jedoch gemerkt, dass ich Fragen wie diese von außen gestellt habe. Den Nonnen selbst sind sie zwar nicht unbekannt, aber von geringer Relevanz. Denn die Menschen, die ins Kloster gehen, entscheiden sich zu dieser Lebensweise und lernen, mit Zweifeln und Fragen umzugehen. In jedem Element des Klosterlebens sehen die Ordensleute einen Sinn und ihr ganzes Leben richtet sich an dem Gottesdienst aus.

Es gibt zwei sich elementar unterscheidende Formen des Ordenslebens: karitatives Leben und kontemplatives Leben. Die karitativ tätigen Schwestern widmen sich dem helfenden Dienst am Nächsten. Sie arbeiten in Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten oder in der Seelsorge. Im Gegensatz dazu leben kontemplative Schwestern in der Klausur, das heißt, sie verlassen ihr Kloster generell nicht und gehen somit auch keinen sozialen Tätigkeiten nach. Kontemplativ lebende Nonnen sind jedoch keineswegs egozentrisch, ihr Leben dient nicht der eigenen Erleuchtung. Sie widmen sich vielmehr der Fürbitte für den Nächsten im Gebet. Sie sehen hierin einen universellen Beitrag zum Wohle der Welt. Es ist nicht einfach, aus rein rationaler Sicht zu beschreiben, worum es hierbei geht. Denn wir merken ja nicht direkt, dass es da Menschen gibt, die unaufhörlich für uns beten. Aber wenn wir zu ihnen gehen und die Nonnen in ihren Klöstern besuchen, wenn wir uns hingeben in den gleichmäßigen Puls ihres Lebens, dann verspüren wir die große Faszination, die von ihnen ausgeht.

Und genau das habe ich getan: Mein Weg führte mich zu fünf verschiedenen Gemeinschaften im Raum Paris und im französischen Jura. Fast sechs Wochen lang habe ich auf verschiedenste Weise das Leben der Nonnen im Kloster geteilt: Jeden Tag bin ich mit den Schwestern etwa um sechs Uhr aufgestanden, bin fünf oder sechs mal am Tag mit ihnen zum Gebet in die Kapelle gegangen und habe ihnen bei der Arbeit in Haus und Garten geholfen. Ich habe gelernt, ein auf das Nötigste reduzierte Leben zu führen – in Ruhe und Schweigen.

So verschieden die Gemeinschaften aufgrund der unterschiedlichen Zusammenstellungen auch waren (alte/junge, viele/wenige Schwestern), in jedem einzelnen Kloster habe ich vor allem gelernt, dass Nonnen auch Menschen sind, die lachen und scherzen, die sich ärgern und sorgen. Diese Einblicke in das Klosterleben konnte ich nur erhalten, weil viele Gemeinschaften mir ihre Klausur geöffnet haben. Das heißt, sie haben mich in dem Bereich ihres Klosters mitleben lassen, der sonst von Fremden nicht betreten werden darf. Als protestantisches deutsches Mädchen, das offensichtlich in das Kloster nicht eintreten möchte, war diese Großzügigkeit, die ich erfahren durfte, allerhand. Ich bin mir dessen durchaus bewusst und rechne es den Gemeinschaften sehr hoch an.

Die Reise durch Frankreich wurde schließlich zu einer vielseitigen und erlebnisreichen Zeit. Ich begegnete interessanten Menschen, musste mich immer wieder in eine neue Umgebung eingliedern und mich anderen Regeln unterwerfen. Da ich von Gemeinschaft zu Gemeinschaft zog, von den Schwestern versorgt wurde und mein Leben in den Klöstern von einem einheitlichen Tagesablauf bestimmt war, könnte man meinen, ich hätte gar keine richtige zis-Reise gemacht. Doch trotz all dieser äußeren und oftmals scheinbaren Leichtigkeit bin ich konfrontiert worden mit den Qualitäten und Schwierigkeiten des Alleinreisens: Weil ich allein unterwegs war, habe ich schnellen Kontakt zu den Menschen knüpfen können, denen ich begegnet bin. Weil ich allein reiste und ein festes Ziel vor Augen hatte, nämlich mein Klosterprojekt, haben mich die Gemeinschaften bei sich aufgenommen und mir Auskunft über ihr Leben erteilt. Weil ich allein war, fühlte ich mich in nicht so herzlicher Umgebung einsam und verlassen. Weil ich allein meinen Weg ging, lernte ich, auf mich gestellt in der Fremde zurechtzukommen, Entscheidungen selbständig zu treffen und dem Drang zu wiederstehen, das Erlebte unmittelbar einer mir vertrauten Peron mitzuteilen. Kurzum, ich habe erlebt, was es heißt, auf sich allein gestellt zu sein. Diese Erfahrung war eines der wichtigsten Momente meiner Reise, die mir nicht zuletzt die Angst genommen hat, weitere Abschnitte meines Weges alleine zu beschreiten.

Nun aber noch ein paar Worte zu meiner Zeit in Frankreich. Jedes der fünf Klöster wurde zu einem besonderen Merkmal der Reise, die ich im Folgenden unter den einzelnen Stationen aufgeführt habe:

1. Station

Die Anfangsphase durchlief ich in dem Benediktinerinnen-Kloster in Brou-sur-Chanteraine bei Paris. In Brou machte ich mich mit der fremden Sprache vertraut, gewöhnte mich an die neue Situation, alleine unterwegs zu sein und an den anderen Rhythmus im Kloster. Ich half den Schwestern bei der täglichen Arbeit zum Beispiel in der Näherei, sah sie aber sonst nur in der Kapelle, da ich die Mahlzeiten mit den anderen Besuchern im Gästeflügel einnahm. Es war nicht einfach für mich, als evangelisches Mädchen und seltene Kirchengängerin, auf einmal sechs mal am Tag zum Gebet in die Kapelle zu gehen. Ich sollte arbeiten, wurde aber ständig von der Glocke unterbrochen, die alle Schwestern zum Gottesdienst rief. Dort hatte ich dann Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren und meine Gedanken zu sammeln. Ich fragte mich, was ich hier eigentlich tue. Warum ich meine Sommerferien nicht am Strand verbringe. Aber die klaren und wunderschönen Gesänge der Schwestern hielten mich auf der Bank und lockten mich immer wieder zu den Offizien in die Kirche.

2. Station

Danach lernte ich Einsamkeit kennen, und zwar als Eremitin bei den Kartäuserinnen in Nemours, etwas südlich von Paris. Die Zeit bei den Bethlehem-Schwestern war zwar kurz, aber sehr schwer für mich. Die Bethlehem-Schwestern leben nach der Regel des heiligen Bruno von Köln, dem Stifter des Kartäuser-Ordens. Daher diese Doppelbezeichnung. Die Kartäuserinnen sind Eremitinnen, dass heißt, sie leben separat voneinander in kleinen Hütten. Sie treffen sich lediglich zweimal täglich zum gemeinsamen Gebet in der Kapelle und einmal die Woche zu einem Essen und einem Spaziergang. Besuchern ist es strikt untersagt, den Klausurbereich der Schwestern zu betreten. Für die Gäste gibt es etwas außerhalb kleine Hütten, die sehr schlicht und bescheiden sind. Von den Schwestern habe ich keine Bilder, sie lassen sich von Fremden nicht fotografieren. Die Isolation, in die sich die Bethlehem-Schwestern begeben, ist nicht nur räumlich. Auch geistig schotten sie sich vollständig von der Außenwelt ab. Die einzige Schwester, zu der ich Kontakt hatte, trat mir gegenüber sehr kühl, ja fast abweisend auf. Ich fühlte mich weder willkommen noch wohl in diesem Kloster. Es gab niemanden, mit dem ich mich hätte wirklich austauschen können und so überkam mich ein Gefühl tiefster Einsamkeit, das mich drei Tage lang lähmte.

3. Station

Nach der Zeit im Raum Paris brach ich auf ins französische Jura, nach Nans-sous-Sainte-Anne. Dort führte ich zwei Wochen lang das Leben einer Klausur-Schwester. Nach der Kälte, die ich in Nemours erlebt hatte, war die Ankunft bei den Benediktinerinnen in Nans wie ein Heimkommen. Die zwölf Schwestern begrüßten mich wärmstens und integrierten mich in ihre Gemeinschaft. Gut zwei Wochen lang aß und arbeitete ich mit den Schwestern schweigend in der Klausur und verließ das Kloster fast nur zu Spaziergängen durch die Berge.

Während dieser Spaziergänge führte ich oft lange Gespräche mit den Schwestern, die nun aufgrund meiner besseren Sprachkenntnisse möglich waren. So erfuhr und begriff ich in Nans, dass die Nonnen ein völlig anderes Verständnis von Arbeit haben als wir. Für einen Großteil der Menschen in der Welt nimmt der Beruf neben Partner oder Familie den wichtigsten Platz im Leben ein. Diese Menschen arbeiten, weil sie es gerne machen, weil sie Geld verdienen möchten oder müssen oder weil sie auf der Karierre-Leiter eine Sprosse höher klettern wollen. Für sie ist die Arbeit eine Aufgabe um der Arbeit willen.

Für die kontemplativen Ordensleute hingegen stellt die tägliche Arbeit einen Teil ihrer Berufung dar. Sie ist an sich ein Element des ständigen Gottesdienstes, so beten oder meditieren die Schwestern während der Arbeit in der Stille. Man könnte also sagen, das Leben und Schaffen im Kloster orientiert sich an der Devise: Der Weg ist das Ziel. Ohne den Druck, durch ein Resultat das Ziel zu erreichen, können die Ordensleute eine Gelassenheit leben, die kaum jemand von uns heute noch für sich kennt.

Die4. Station

Nach dieser Erfahrung fuhr ich zu den Klarissen nach Poligny, ebenfalls im französischen Jura gelegen. Die Zeit dort war angefüllt mit Begegnungen und Gesprächen. Bei den Klarissen verbrachte ich eine Woche, in der ich täglich Gespräche führte: Mit den Schwestern und mit Menschen, die das Kloster besuchten oder in der Nachbarschaft wohnten. Die Klarissen sind ein Bettelorden, das heißt, sie verfügen weder als einzelne Schwester noch als Gemeinschaft über Vermögen. Demnach können sie nichts kaufen und sind auf die Spenden der Leute aus dem Ort angewiesen. Das schafft eine tiefe Verbundenheit zwischen dem Kloster und dem Ort. Die Bewohner von Poligny sind gewohnt, den Schwestern gegenüber großzügig zu sein. Dieselbe Großzügigkeit erfuhr auch ich: Ältere Damen und junge Familien luden mich zum Mittagessen ein, sie machten Ausflüge mit mir und beschenkten mich mit allerlei guten Dingen.

Als Bettelorden leben die Klarissen heute noch ohne die Gewissheit einer wirtschaftlich abgesicherten Zukunft, denn sie verfügen weder über ein gesichertes Einkommen noch über Vermögen. Man muss sich das einmal vorstellen: Das sind Menschen, die durch ihr radikales Armutsverständnis auf jegliche Form materieller Absicherung verzichten. Wo nehmen sie aber die Gewissheit her, dass sie überleben werden? Die Klarissen haben ungebrochenes Vertrauen in die Hilfe Gottes. Dass er für sie sorgt. Und ebendieses Vertrauen war es, das mich zutiefst fasziniert hat. Die Schwestern müssen eine unglaubliche Menge an Zeit und Kraft „sparen“, indem sie sich, anders als wir, nicht mit Finanzsorgen und Existenzängsten belasten.

5. Station

Die 5. und letzte Station, das Diakonissen-Haus in Versailles, wurde zu einer Art Resümee meines ganzen Klosterprojektes. Vier Tage verbrachte ich bei den Diakonissen in Versailles. Ein Resümee wurde dieser Besuch aus folgenden Gründen: Erstens sind die Diakonissen evangelisch – wie ich auch. Zweitens verbinden sie in ihrer Lebensform sowohl das kontemplative als auch das karitative Ordensleben. Jede Schwester kann für sich entscheiden, ob sie den Schwerpunkt ihres Lebens auf das Gebet und die Stille oder auf die Arbeit in einer sozialen Einrichtung setzt.

Es waren vierzig Tage, die ich in Frankreich verbracht habe. Diese Zeit hat mir einige tiefe Einblicke in das Leben im Kloster gewährt. Trotzdem glaube ich nicht, dass ich durch die verhältnismäßig wenigen Wochen Klosteraufenthalt wirklich erfahren habe, was es bedeutet, lebenslang auf materielles Vermögen, sexuelle Erfüllung und ein in weiten Teilen selbstbestimmtes Dasein zu verzichten. Trotzdem konnte ich auf meiner Reise zumindest etwas von der besonderen Form des Klosterlebens erfahren und mitnehmen. Ich denke hierbei vor allem an die Ruhe, die Gelassenheit und innere Sicherheit, die den Ordensleuten eigen ist.

Woher sie aber diese besonderen Eigenschaften nehmen, fand ich sehr treffend in einem Zitat zusammengefasst:

Ein Mönch, der gefragt wurde, warum er trotz vieler Beschäftigung immer so ruhig und gelassen sein könne, antwortete:
Wenn ich stehe, dann stehe ich.
Wenn ich gehe, dann gehe ich.
Wenn ich sitze, dann sitze ich.

Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten:
Das tun wir doch auch!

Der Mönch aber sagte:
Nein,
Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon.
Wenn ihr steht, dann lauft ihr schon.
Wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.


Religion

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