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Eine Reise in das Land des zweifachen "Ja" - die Rolle der okzitanischen Sprache und Kultur in der heutigen Gesellschaft Südfrankreichs

Frankreich


Anna Nissen begeisterte sich schon seit ihrer frühen Kindheit für Sprachen und Dialekte. Als sie von zis erfuhr, stand das Thema ihrer Reise schnell fest. So begibt sie sich, im von Touristen überlaufenen Südfrankreich, auf die Suche nach dem melodiös-mittelalterlichen Klang. Es gelingt ihr, Menschen zu finden, die sich auch heute noch mit der ozitanischen Kultur identifizieren.

„Ich erwarte Dich dann an der Endstation der Tram! Du erkennst mich an der roten Blume im Knopfloch.“ Mit diesem Satz begann die schönste Bekanntschaft meiner zis-Reise, die mich einen heißen Sommermonat unter der sengenden Sonne Südfrankreichs erleben ließ.

Was sich nun möglicherweise liest wie der Anfang eines Romans der Kategorie „Liebeskitsch des vergangenen Jahrhunderts“, hat völlig andere Hintergründe: Auf meiner Reise beschäftigte ich mich mit der okzitanischen Sprache und Kultur, bei meiner Verabredung handelte es sich um den mir bis dato unbekannten neunundsechzigjährigen Gervais Lamaze, einem gebürtigen Elsässer und passionierten Okzitanophilen.

Gesprochene und geschriebene Sprache hat mich früh begeistert, und der französische Süden übte eine besondere Magie auf mich aus. Per Zufall stieß ich bei Recherchen zum Thema Dante Alighieri auf die okzitanische oder auch provenzalisch genannte Sprache, las einen in ihr verfassten Text und beschloss, mehr darüber wissen zu wollen. So zog es mich in den Languedoc, genauer gesagt nach Montpellier, wo ich mich mit der Rolle der einstigen Hochsprache mittelalterlicher Troubadoure befassen wollte.

Mit hohen Erwartungen im Gepäck trat ich die achtundzwanzigstündige Zugfahrt dorthin an, erwartete insgeheim, spätestens ab Avignon kaum mehr französische Laute um mich herum zu vernehmen – was insofern auch korrekt war, da mein Abteil prall gefüllt war mit Interrailern aus allen Winkeln der Erde, von okzitanischer Sprache jedoch keine Spur! Auch meine ersten Tage in Montpellier verliefen ernüchternd, denn Juli und August sind touristische Hochsaison in Südfrankreich, der die eigentlichen Bewohner in entlegenere Gefilde entfliehen. Aline, bei der ich die erste Zeit verbrachte, konnte nur den Kopf darüber schütteln, dass ich eigens aus Deutschland angereist war, um mich mit einer Sprache zu befassen, die selbst die meisten Franzosen nicht einmal mehr vom Namen her kannten.

Die okzitanische Sprache, die vor sechshundert Jahren sowohl die Herzen holder Burgfräuleins betört als auch dem Weinbauern als Instrument präzisester Benennung seiner Gerätschaften gedient hatte, wurde im Laufe der französischen Geschichte Opfer des Strebens nach nationaler Einheit und der Zentralisierung der Staatsgewalt. Insbesondere die Französische Revolution und ihr terreur linguistique schwächten die Sprache derartig, dass sie sich kaum je wieder davon erholen konnte. Als patois, niederer Dialekt, wurde sie abwertend bezeichnet, ihr Gebrauch im öffentlichen Leben per Gesetz verboten und dessen Einhaltung streng verfolgt. Nachfolgende Generationen wuchsen damit auf, dass es sich bei der Sprache ihrer Eltern und Großeltern um etwas Hässliches, Zurückgebliebenes handelt, welches es zu meiden und zu vergessen gilt. Die Kulturnation Frankreich unterstützt dieses Unterfangen, in dem sie als einzige Amtssprache das Französische anerkennt und kaum etwas für die Wiederaufarbeitung dieses Teils ihrer kulturellen Geschichte unternimmt.

Die daraus erwachsene Enttäuschung und auch Wut auf „Die in Paris“ begegnete mir immer wieder. In Frankreich konzentriert sich die Wahrnehmung stark auf die Hauptstadt –anders als in Deutschland, wo Bayrisch ist ein beliebter und weit über Landesgrenzen hinaus bekannter Dialekt ist. Dass aber la grande nation über weitaus mehr als eine einzige, alle einende Sprache verfügt, wird gerne vergessen gemacht. Neben der okzitanischen Sprache existieren dort auch noch weitere Minderheitensprachen, Baskisch, Bretonisch und Katalanisch, um Beispiele zu nennen. Frankreich hat die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen bis heute nicht ratifiziert.

Hinter meinem Thema, das ich eigentlich zunächst einmal hauptsächlich aufgrund der Schönheit der Sprache und ihrer Literatur gewählt hatte, verbirgt sich eine Problematik, deren Ausmaß mir zuvor nicht bewusst gewesen ist. Damit war ich aber beileibe nicht die Einzige, denn auch im Gebiet des ehemaligen Okzitaniens befasst sich nur noch wenige intensiv mit ihrer (sprachlichen) Vergangenheit.

Damit bin ich wieder bei meiner anfänglich erwähnten Begegnung angelangt, Gervais. Er hatte davon erfahren, dass ich verzweifelt nach Menschen suchte, die sich in irgendeiner Weise mit dem Okzitanischen befassten und rief mich einfach an. Aus einem Anruf, der mir zunächst etwas mulmige Gefühle bereitete – woher hat ein alter Mann meine Mobilnummer? und was soll die rote Blume? –, entwickelte sich eine wundervolle Freundschaft. Gervais und seine Frau Monique luden mich zu sich nach Hause ein, kochten für mich Feigenkompott und fuhren mit mir zu faszinierenden Orten. Das Schönste aber waren von Anfang an unsere Gespräche.

Begegnungen und Bekanntschaften wie diese waren es, die meine Reise für mich unvergesslich gemacht haben und mir geholfen haben, meinen Nah- und Weitblick zu schärfen.


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