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Die Siebenbürger Sachsen – Eine Momentaufnahme

Rumänien


Meine Reise sollte nach Osteuropa gehen, soviel stand fest, als ich beschloss, mich bei zis zu bewerben. Denn trotz EU-Erweiterung war „der Osten“ unbekanntes Terrain für mich. Als ich dann durch Zufall erfuhr, dass es in Rumänien schon seit über 850 Jahren eine deutsche Minderheit gibt, war mein Interesse geweckt. Ich fand heraus, dass noch Anfang des letzten Jahrhunderts etwa 250 000 Siebenbürger Sachsen im Gebiet des Karpatenbogens ansässig waren und dass heute ihre Zahl nach mehreren Auswanderungswellen auf nur noch 15 000 gesunken war.

Viele glauben deshalb, dass diese deutsche Minderheit in Rumänien bald ganz verschwinden wird. Aber ist die Lage tatsächlich so dramatisch? Wie leben junge Sachsen heute, mit welcher Kultur identifizieren sie sich und was versprechen sie sich von der Zukunft? Das Thema für meine zis-Reise war gefunden, ich wollte die Siebenbürger Sachsen so, wie sie sich heute wahrnehmen, porträtieren.

Anfang September machte ich mich dann auf den Weg nach Rumänien, zunächst ging es nach Hermannstadt/Sibiu, das Zentrum siebenbürgisch sächsischer Kultur und 2007 auch europäische Kulturhauptstadt. Der erste Eindruck war wohl Überraschung: Eine derart schöne Stadt hatte ich im immer noch als „Armenhaus Europas“ verschienen Rumänien nicht erwartet! Aber in der gesamten Innenstadt waren die Häuser frisch renoviert und bunt gestrichen. An jeder Ecke lockten Kulturangebote und überall – das erstaunte mich am meisten – las und hörte man Deutsch. Die Spuren der Siebenbürger Sachsen waren allgegenwärtig. Da gab es die deutsche Schule, eine deutschsprachige Zeitung, Inschriften auf Kirchenfenstern und den „Schillerplatz“. Das bisschen Rumänisch, das ich vor dieser Reise extra gelernt hatte, kam fast nie zum Einsatz. Mit der Unterkunft hatte ich Glück: Die ersten Tage wohnte ich in der WG eines freundlichen Rumänen, der mich gleich mit Tuica - dem traditionellen Pflaumenschnaps - und saurer Suppe bekannt machte. Später kam ich im katholischen Studentenwohnheim unter, wo zufällig gerade ein Büro mit Couch leer stand.

Trotzdem fiel es mir anfangs nicht leicht, mich in der zis-Reise zurecht zu finden und mein Thema mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein anzugehen. Ich hatte im Vorfeld zwar viele Adressen recherchiert und Kontakt zu Personen aufgenommen, die mir weiterhelfen konnten, aber wie sollte ich beginnen? Ein Schlüsselerlebnis war dann die Begegnung mit dem deutschen Vizekonsul Münch: Aus Angst, einen so beschäftigten Menschen mit meinem Anliegen zu „stören“, traute ich mich zunächst kaum, um einen Interviewtermin zu bitte. Als ich jedoch die Sicherheitskontrollen passiert hatte, wurde ich umgehend zu Herrn Münch gebracht und aus den angekündigten zehn Minuten Gesprächszeit wurde am Ende eine Stunde, in der mir der Vizekonsul nicht nur seine Sicht auf die Siebenbürger Sachsen beschrieb, sondern auch seine Erfahrungen aus vielen Jahren im diplomatischen Dienst schilderte. Zuletzt rief er sogar bei einigen Bekannten an und so bekam ich ein Interview mit der Chefredakteurin der „Hermannstädter Zeitung“. Beflügelt machte ich mich an die weitere Recherche und merkte schnell, dass man viel erreichen kann, wenn man nur offen auf die Menschen zugeht. Dieses Selbstbewusstsein war neben dem Umgang mit dem „Alleinsein“ eine zentrale Erfahrung meiner zis-Reise.

Ich interviewte Seniorinnen in einem sächsischen Altenheim, die viel von Bräuchen und Traditionen zu erzählen wussten, freundete mich mit Jugendlichen an, die in der evangelischen Kirchengemeinde aktiv waren und hatte sogar das Glück, dass das alljährliche Sachsentreffen genau dann stattfand, als auch ich in Hermannstadt war. Doch nicht nur Trachten und traditionelle Tänze bekam ich dort zu sehen, ich lernte ein älteren Ehepaar kennen, das mich spontan zu sich nach Mediasch einlud. Das war wohl dieses berühmte zis-Glück, das so unwahrscheinlich erscheint, bis man es selbst erlebt: Wieder hatte sich eine Tür für mich geöffnet, die Reise ging weiter und es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass ich ganz unerwartet Hilfe von unbekannten Menschen bekam.

Meine Reise führte mich im weiteren Verlauf noch nach Schäßburg/Sigishoara, in einige ehemals sächsische Dörfer, nach Kronstadt/Brasov und schließlich wieder nach Hermannstadt. Ich interviewte Kulturschaffende, Pfarrer, Politiker und gewann am Ende den Eindruck, dass es gar nicht so schlecht um die Zukunft der Siebenbürger Sachsen bestellt ist. Es war jedoch nicht nur diese Erkenntnis, die ich von meiner zis-Reise mitnahm; viel wichtiger scheint mir die Erfahrung, alleine in einem (zunächst) fremden Land zurecht gekommen zu sein und vor allem, immer wieder Hilfe an unerwarteter Stelle erfahren zu haben.


Minderheiten

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