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Autonomie und Gemeinschaft: Ein dänischer Lebensentwurf

Dänemark


Alleine reisen und über Gemeinschaft lernen – was sich paradox anhört, durfte ich letzten Sommer fünf Wochen lang auf meiner zis-Reise erleben. Mit dem Fahrrad und manchmal auch per Zug bin ich durch Dänemark gereist an Orte, in denen Menschen über den Familienverbund hinaus zusammenleben, und wollte erfahren, wie sie das Spannungsfeld zwischen Autonomie und Verbundenheit erleben...

Alleine reisen und über Gemeinschaft lernen – was sich paradox anhört, durfte ich letzten Sommer fünf Wochen lang auf meiner zis-Reise erleben. Mit dem Fahrrad und manchmal auch per Zug bin ich durch Dänemark gereist an Orte, in denen Menschen über den Familienverbund hinaus zusammenleben, und wollte erfahren, wie sie das Spannungsfeld zwischen Autonomie und Verbundenheit erleben.

Man könnte meinen, dass es in so einem teuren Land wie Dänemark eine große Einschränkung ist mit 700 Euro zu reisen – was ich aber nie als solche erlebt habe. Obwohl ich natürlich auf Einfachheit bedacht war, kam der Reichtum immer auf eine andere Weise zurück, durch Menschen, die mich stolz zum Essen ihres selbstgeernteten Gemüses einluden, mir in einer kalten Nacht Decken auf dem Campingplatz vorbeibrachten, oder mir spontan eine Führung durch ihren gesamten Bauernhof samt Kunstatelier gaben. Die Gastfreundschaft, das Vertrauen und die Fürsorge, die mir gerade durch mein knappes Budget entgegengebracht wurden, haben mich immer wieder überwältigt. Viele Menschen haben so viel mit mir geteilt. In Kopenhagen hat mir Lone angeboten, dass ich bei ihr übernachten kann, und nachdem wir zwei Sätze gewechselt haben, hatte ich ihren Wohnungsschlüssel in der Hand mit der Einladung, so lange zu bleiben wie ich möchte und alles aus dem Kühlschrank zu nehmen, was ich brauche. Aber da ich immer mit meinen Gastgeber*innen zusammengewohnt habe, haben sie mich auch an so vielen persönliche Gedanken, Erfahrungen, Gewohnheiten Teil haben lassen – vorwiegend über das Leben in Gemeinschaft, aber damit zusammenhängend immer auch darüber, was ihnen wichtig ist im Leben. Manche haben mir Einblicke in ihre Spiritualität gegeben, andere über Beziehungen, Visionen oder die wichtigsten Dinge, die sie in ihrem Leben gelernt ha- ben, mit mir geredet. Obwohl ich oft nur zwei oder drei Tage an einem Ort war, haben mir meine Art zu reisen und mein Thema die Möglichkeit gegeben, sehr tief mit den Menschen in Kontakt zu kommen.

Und so kommt es, dass ich nach diesen fünf Wochen sehr differenziert auf das Thema Gemeinschaft blicke. Ich habe viele Gemeinschaften erlebt, immer aus einer Mischung zwischen Innen- und Außenperspektive. Ich habe mit Nachbarn geredet, die nicht Teil der Gemeinschaft sind, mit Neuzugängen und Menschen, die bald ausziehen werden, mit einem Unternehmer, der professionell Gemeinschaften aufbaut, mit Kindern, die in Gemeinschaften aufgewachsen sind. Ich habe Sitzungen erlebt, in denen sich Gemeinschaften organisieren, meine Erfahrungen in Gemeinschaft reflektiert, ich habe mich eingeschlossen und manchmal auch ausgeschlossen gefühlt. Mich hat das Potenzial von Gemeinschaften fasziniert, als Ort der Begegnung von sehr unterschiedlichen Menschen, als Ort, Dinge anders zu machen. Aber ich habe ebenso gemerkt, dass jede Gemeinschaft sich auch durch die Abgrenzung von anderen definiert und jede Gemeinschaft und jeder Mensch in einer Gemeinschaft die eigene Balance finden muss, um als Individuum, als Gemeinschaft und auch über die Gemeinschaft hinaus zu leben, einzubeziehen und abzugrenzen.

Die allerprägendste Erfahrung meiner Reise ist eine zutiefst menschliche, ganz unabhängig von jeder Kultur. Ich habe gemerkt, dass es immer weitergeht, dass sich immer eine Lösung findet. Auf einer Station meiner Reise habe ich warmen Holunderbeersaft gemixt, während meine Gastgeber im Kino waren. Der Saft ist übergeschäumt, und obwohl ich schnell versucht habe, alles wegzuwischen, habe ich die Flecken auf Wand und Fußboden beim besten Willen nicht wegbekommen. Mit großen Sorgen und Nervosität habe ich darauf gewartet, dass die Beiden aus dem Kino zurückkommen – bereit mit allerlei Vorschlägen, wie ich das wieder gutmachen könnte, von Streichen bis zur Haftpflichtversicherung. Ich werde Anne-Lines ersten Satz nie vergessen: „I did this, too. I know how you‘re feeling.“ Ich habe dann erstmal eine Umarmung und Kekse bekommen, und nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, habe ich gesehen, dass jemand in den dicken holunderbeerfarbenen Fleck an der Wand mit einem weißen Stift einen Smiley reingemalt hatte: „Das ist jetzt unser Holunderbeermonster und eigentlich ist es ziemlich schön, dass es uns an dich erinnern wird.“

Meine Reise hat nicht aufgehört, als ich zurück nach Hause gekommen bin. Ich habe mich entschieden, mein Thema in Gedichten zu dokumentieren und habe dabei meine WG, das Zentrum meiner eigenen Gemeinschaftserfahrungen, in den Schreibprozess mit einbezogen, genauso wie andere mir nahestehende und fremde Menschen aus meinem Umfeld wie auch von meiner Rei- se. Jede dieser Personen hat eine Karte von mir bekommen mit einem Teil eines Gedichts von mir und der Bitte, darauf zu antworten. (Dieser Schreibprozess hat mich eingeladen, mich weiter mit meinen Erfahrungen auseinanderzusetzen, Menschen in diese Erfahrungen einzubeziehen und sie in meinen Alltag zu integrieren.)

Autonomie und Verbundenheit – auch ich bin auf meiner Reise zwischen diesen beiden Polen balanciert, und ich balanciere immer noch... Begegnungen, Selbstvertrauen, sich selbst hinterfragen, ein Bauchgefühl – Wo möchte ich bleiben? (und immer wie- der ein Reflektieren) Was interessiert mich als Nächstes? Was ist gerade wichtig? Denn meine Reise hat mir eindrücklich gezeigt, wie lebendig dieses Balancieren macht! Und wenn ich so aus heutiger Sicht auf Gemeinschaft und Gesellschaft blicke, lässt die Reise bei mir vor allem eine Frage zurück: Wieso stellen wir unsere Lebendigkeit nicht stärker ins Zentrum unseres Zusammenlebens?


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