Wenn man durch die Straßen Portugals schlendert, kann man an jeder Ecke unterschiedlich geflieste Häuserfassaden und kunstvolle Details in den Fliesen entdecken. Diese glasierten Keramikfliesen – allgemein als Azulejos bekannt – sind in Portugal allgegenwärtig, dekorieren Innen- wie Außenräume und sind fest in der Tradition Portugals verankert. Dabei ist die Bandbreite der Stile groß: Von geometrischen und floralen Musterelementen bis hin zu großen figurativen Werken gibt es scheinbar unendliche Variationen. Auf der anderen Seite wiederum sind die Straßen Portugals ebenso stark durch moderne Street Art – also Murals, Paste-Ups und Graffitis geschmückt, die mit ebenso vielen Variationen und Techniken glänzen.
Aufgrund dieser künstlerischen Vielfalt in der Öffentlichkeit machte ich mich auf nach Portugal, um die Substanz der jeweiligen Stilrichtungen kennenzulernen, deren jeweilige Verbundenheit sowie Einflüsse zu erkunden und die Geschichten der Künstler*innen dahinter zu erfahren. Dabei galt es auf der Reise für mich, meinen eigenen Blick zu schärfen, denn unser Blick auf der Straße geht selten nach oben oder zur Seite. Ganz im Sinne eines Zitates von Andy Golsworthy galt es, zu „sehen was immer da ist, aber wofür man oft blind ist“ und meinen Fokus auf Details zu legen. So habe ich unendlich viele Fliesen und scheinbar banale Graffitis fotografiert, mich mit Leuten auf der Straße über ihre Eindrücke unterhalten und Künstler*innen zu deren Schaffensprozessen befragt. Besonders prägend war dabei ein Besuch im Atelier der Street Art-Künstlerin Mariana PTKS in Porto. In ihren Werken erforscht sie auf eine minimalistische Weise und in lebendigen Farben neue Dimensionen des Kosmos und der Geometrie. Auch interessant war der Besuch im Circus Network in Porto: Das Netzwerk ist eine Art kulturelle Organisation für urbane Kunst, welche junge Künstler*innen in Porto und Umgebung fördert. So erzählte mir das Circus Network, dass dieser Zusammenschluss der Künstler*innen zu einer besseren Anerkennung wie auch Förderung von Street Art von Seiten der Stadtverwaltung Portos geführt habe.
Leider hat die Reise nicht ganz so geklappt wie vorher angedacht. Ich war im März unterwegs, wo die Corona-Dynamik gerade ihren Anfang nahm. Viele Projekte wurden während meiner Reise abgesagt und auch das freie Herumreisen selbst wurde von Tag zu Tag unmöglicher. Ich hatte in dieser Zeit das Glück, eine andere Couchsurferin kennenzulernen. Wir sind dann zusammen im Mietwagen – in dem wir auch geschlafen haben – in Portugal herumgereist und konnten neue Ecken erkunden.
Nach der Reise habe ich mich nochmal weiter mit Azulejos beschäftigt. Gespeist von den Eindrücken sowie Erfahrungen der Reise, habe ich ein Werkstück in den Stilen der Azulejos aber auch ein wenig im Graffiti Stil angefertigt. Die quadratischen Fliesen sind gemäß den traditionellen Farben von Azulejos in Blau und Weiß gehalten. Dabei repräsentieren einige Fliesen spezifische Erinnerungen, welche ich an die Reise habe, während andere versuchen, durch Kontraste aber auch durch die Imitation das Thema weiter zu beleuchten.
Die zis-Reise hat mich stark in meinem Denken über Straßen und Städte geprägt; so habe ich angefangen, Straßen viel mehr als kulturelle Eigenheit zu betrachten, welche die Möglichkeit des Ausdrucks und der Interaktion verschiedener Menschen beherbergt. Denn jede*r gestaltet diesen öffentlichen Begegnungs- und Ausdrucksraum durch die eigene Interaktion. Insbesondere Azulejos, wie auch anderer Formen der Street Art, beeinflussen diese Interaktion.
Dies ist nur ein sehr kurzer Einblick in meine Reise. Falls jemand mehr darüber erfahren möchte, schicke ich gerne meinen kompletten Reisebericht zu (hannawisser@gmx.de).