Mosaik vom Glück

Austria Hungary


Lotta Bartoschewski reist zunächst mit dem Zug nach Österreich, steigt dann auf ihr Fahrrad um und gelangt so nach Ungarn. Die Suche nach dem Glück führt sie zu den unterschiedlichsten Menschen, deren Lebensentwürfe sie analysiert und gekonnt einordnet. So gelingt es ihr, einen facettenreichen Bericht über das Mosaik vom Glück zu entwerfen.

Mit dem Glück reisen, eine Glücksreise machen. Etwas, das so wundervoll klang, wollte ich unbedingt tun. Ich kam darauf, die zis-Reise unter dieses Thema zu stellen, als ich mich fragte, was mich derzeit am meisten beschäftigt und mir am wichtigsten ist. Ich merkte, dass ich meine Reise unter ein Motto stellen musste, das mir unter den Nägeln brennt. Junge Menschen in meinem Alter sind vor die Aufgabe gestellt, einen eigenen Weg einzuschlagen, herauszufinden, was sie aus ihrem Leben machen wollen.

Hier kommt das Glück ins Spiel. Es ist die Suche danach, die ich sehr interessant finde. Ich wollte generell untersuchen, auf welche Weise Entscheidungen getroffen werden, was für mich sehr viel mit Glück zu tun hat. Denn ich meine, dass all unsere Entscheidungen das Glück zum Ziel haben. Menschen möchten „glücklich“ werden. Durch unterschiedliche Prägungen und Einflüsse wird dieses Ziel auf verschiedene Art und Weise zu erreichen versucht, es entsteht eine persönliche Glücksvorstellung, ein individueller Entwurf vom erstrebenswerten Dasein. Ich ging also davon aus, dass ich mich mit allen Menschen, denen ich begegnen würde, auseinandersetzen könnte, um etwas über das Phänomen „Glück“ zu lernen. Dass dabei die unterschiedlichsten Weltbilder aufeinanderprallen würden, ahnte ich zwar, begriff es jedoch erst unterwegs.

Ich war aufgebrochen mit einer handvoll Kontakte auf den verschiedenen Etappen meiner Route.Während meiner Reise begegnete ich vielen, sehr unterschiedlichen Menschen. Ich sprach mit Kindern und Alten, Dorfbewohnern und Großstadtmenschen, Armen und Reichen. Zutiefst religiöse Menschen lösten jene ab, die jeglichen Glauben ablehnen. Ich fragte mich, wie es funktioniert, dass all diese Menschen mit dem Wort „Glück“ etwas anfangen können und es doch in jedem Kopf andere Gestalt annimmt.

Wohin   Ich

Wohin ich auch kam, tauchte ich augenblicklich in die Lebenswelt der Gastgeber ein. So war es für mich keine große Schwierigkeit, anhand von Unterhaltungen die Glücksvorstellungen meiner Gegenüber zu verstehen. Eine Pastorenfamilie führte mich blitzschnell in die burgenländische Dorfgemeinschaft ein, im Hostel in Rumänien wollten die Jugendlichen und ihre Lehrer mich sofort auf ihre Ausflüge mitnehmen, und Künstler freuten sich über die kleine Auszeit, die sie sich meinetwegen gegönnt hatten. Es kam oft zu Gesprächen, in denen man sich zuerst vorsichtig aneinander herantastete, es dann aber schnell zur Sache ging.

Man war neugierig auf mich. Eine junge Frau, die allein mit dem Rad reist und sich dazu einen Forschungsgegenstand gesucht hat, der zum Diskutieren und Nachdenken anregt, das ist nicht alltäglich. So erfuhr ich allerhand Persönliches über meine Gesprächspartner.

Es wurde von mir erwartet, dass ich Fragen stelle, ich musste immer wieder schildern, warum ich da war und was das Ziel meiner Reise war.Auf diese Weise musste ich mich selbst immerzu neu sortieren und nach und nach zeigte sich, dass diese Reise auch meine Glücksvorstellung verändern konnte. Ich musste ein Sammler von Momenten, Gedanken und Begegnungen sein. Aus diesen Puzzlestückchen, die sich im Laufe der Reise immer besser ergänzten, ergab sich letztendlich ein Gesamtbild.

Es gab natürlich ebenso Momente, in denen ich daran zweifelte, dass ich es schaffen würde, einen Bogen zu spannen, der alles vereint. Ich stellte den Sinn und die Erfolgsaussichten meiner Reise besonders dann in Frage, wenn ich mich erschöpft und einsam fühlte; wenn mir Schweißperlen auf der Stirn standen, vor mir endlos schnurgerade Straße durch riesige Maisfelder, nur Vögel auf Stromleitungen und das Zirpen der Grillen als Begleitung; wenn der Verlauf des Tages ungewiss war.

Der Versuchung, mein Zelt aufzuschlagen und stundenlang nichts zu tun, außer den Wolken beim Dahinziehen zuzuschauen, gab ich nur einmal nach. Ich verbrachte einen Nachmittag und die Nacht auf einem Feld. Von dort aus konnte ich direkt auf die Berge schauen, keine Menschenseele weit und breit. Ich fühlte mich einsam und fragte mich, ob ich es schaffen würde durch die Reise etwas zu verstehen, klarer zu sehen. Ich dachte, ich würde scheitern und fühlte mich mutlos. Nach einer ruhelosen Nacht, fuhr ich weiter. Was blieb mir anderes übrig?

Nach Erreichen meines nächsten Ziels Eger, ergaben sich dann wundervolle Tage in einer Tanzschule mit jungen Freiwilligen aus ganz Europa. Zwei von ihnen nahmen mich in Debrecen auf, von wo aus ich mit Kribbeln im Bauch in Richtung Rumänien weiterradelte. Im Rückblick bilden die Phasen des intensiven Austausches mit Menschen und die Momente, in denen ich mit mir rang, ein schlüssiges Ganzes.

Immer wieder gab es Punkte, an denen ich ein Gefühl von Stillstand hatte, an denen ich dachte, es ginge nicht mehr weiter, an denen ich alles in Frage stellte und keinerlei Erfolg in meiner Arbeit sah. Aber jedes Mal war nach einiger Zeit der tote Punkt überwunden und es ging einfach weiter. Der Zufall, welcher vieles richtete, meine Augen, die ich offen hielt, und besonders das „Dranbleiben“ waren für mich zu den wichtigsten Reisebegleitern geworden.

Ich habe aus der Reise gelernt, dass vieles besser funktioniert, wenn man versucht, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Offenheit und Willensstärke. Das Wichtigste aber, was ich für meine Zukunft gelernt habe, ist, dass ich versuchen darf, meine Träume zu verwirklichen, egal wie naiv sie für andere aussehen mögen und wie ungewiss der Ausgang ist.

Gerade das macht mein Leben lebenswert. 


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