Erneuerbare Energien in Island

Iceland


So betrete ich Ende August im hohen Norden Dänemarks die Fähre, welche mich durch den brausenden Nordatlantik in tagelanger Fahrt zur Insel von Feuer und Eis tragen soll. All mein Leben auf den Schultern, und doch scheint der Rucksack auf meinem Rücken leicht, vielleicht sind es Spannung und Begeisterung, die ihn tragen. Ein Gefühl grenzenloser Freiheit.

„The green isle? – renewable energies in Iceland“, das Thema, das ich zu der Insel im Nordmeer führt. Atomausstieg, Abhängigkeit von russischen Gasreserven, Bau neuer Kohlekraftwerke, steigende Rohöl- und Spritpreise und natürliche global warming – die evergreens der deutschen Nachrichten. Der deutschen wohlgemerkt, denn es gibt durchaus Länder, die es geschafft haben, ihren Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu produzieren. Island bezieht momentan 99,9% seines Strombedarfs aus regenerativen Quellen, 80% davon macht die Wasserkraft aus, der verbleibende Anteil wird durch Geothermie gedeckt. Daten, die jeden Umweltschützer in Begeisterung versetzen sollten, doch nicht so in Island. Hier protestieren Umweltorganisationen, vor allem Saving Iceland, gegen den Bau neuer Großkraftwerke und die Ansiedlung von Schwerindustrie auf Kosten der isländischen Natur.

Die Fähre spuckt mich im entlegenen Osten Islands aus, Seydisfjördur heißt das Hafendorf, so klein, dass es gemütlich in der Fähre Platz hätte. Die Gegend ist selbst für isländische Verhältnisse dünn besiedelt – zwei Drittel der etwa 300 000 Einwohner der Insel leben in Reykjavik, auf der anderen Seite des Landes – und immer mehr Menschen verlassen den Osten. Vor mir erheben sich steil zum Meer abfallend die Berge, die Gipfel vereinzelt mit Schnee bedeckt. Ich bin auf mich allein gestellt, meine Reise beginnt.

Die Reise währt insgesamt anderthalb Monate und erlaubt mir Einblicke in die unbeschreibliche Welt der Atlantikinsel zwischen den Kontinentalplatten. Sie lässt mich über dampfende Lavafelder wandeln, den tanzenden Himmel mit seinen Nordlichtern bestaunen, brodelnde Schwefelquellen umrunden, die langsam ins Meer gleitenden Gletscher sehen, die absolute Stille und die Weite des menschenleeren isländischen Hochlandes erleben sowie das pulsierende Nachtleben der Hauptstadt Reykjavik.

Neben diesen unvergesslichen Natureindrücken besuche ich die Bauwüsten der größten Kraftwerke, spreche mit Anwohnern, mittellosen Fischern und Umweltorganisationen, ersuche Oppositionsparteien und Ämter um Gespräche und besichtige zuletzt noch die Aluminiumschmelze, den Abnehmer der günstigen Energie und Auslöser des Konflikts.

So erlebe ich den langsamen Wandel des Landes während den letzten Jahrzehnten. Den Wandel Islands, das nie eine echte Industrialisierung erlebte und so eine größtenteils unberührte Natur vorweisen kann. Ein Wandel von einer auf Fischfang und Schafzucht basierten Wirtschaft hin zu der hoch industrialisierten Aluminiumschmelze. Eine Entwicklung mit all ihrem ökonomischen Nutzen sowie ihren umweltbelastenden Kehrseiten. Ausgelöst durch massive Überfischung und der als Lösung gedachten Einführung des Fischerei-Quotensystems. Die durch diesen Prozess mittellos gewordenen Fischer verlassen Nord und Ost-Island und ziehen in die Hauptstadt, wo sie sich neue Arbeit versprechen. Auf ihrem Weg hinterlassen sie Geisterstädte, und die Verbliebenen fürchten um ihre Existenz. Diese Entwicklung im Blick, ist es leichter für mich zu verstehen, warum sich die isländische Regierung dazu entschied, Großkraftwerke in den verlassenen Landstrichen zu errichten und großflächig unberührte Natur zu zerstören, um damit die Ansiedlung von Schwerindustrie zu ermöglichen. Die Aluminiumschmelzen als scheinbar letzte Möglichkeit, die Landflucht zu stoppen. Die Worte eines ehemaligen Fischers in Reydarfjördur, der Heimat der Aluminiumschmelze, fassen es zusammen: „What are you willing to pay for your food?“ Doch ein bitterer Nachgeschmack bleibt, der Preis ist ein hoher und andere Lösungen wären möglich.

Im Blick zurück entstehen die Dinge. Und so sehe ich heute, ziemlich genau ein Jahr nach meiner Reise, dass das Stipendium aus weit mehr bestand, als nur aus dem zur Verfügung gestellten Geld. Vielmehr stellte die Reise mich vor eine Aufgabe, die, wenn auch oft keineswegs leicht, doch die Möglichkeit bot, die Augen für neue Perspektiven zu öffnen und so noch ein Stück zu wachsen.


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