Kurz vor dem Abitur erfuhr ich von einer Freundin von der zis-Stiftung für Studienreisen. Mir war sofort klar, dass ich mich dieser Herausforderung des Alleine-Reisens stellen wollte. Und so führte mich mein Projekt „Windkraft – Die Zukunft der Energiewende?“ im August 2021 nach Norddeutschland. Da jenes Jahr noch immer stark durch die Pandemie geprägt war, wurde dieses Projekt die kurzfristige Alternative zu meiner schon geplanten Schottlandreise.
Die Fridays-for-Future-Demonstrationen zogen mich von Anfang an in ihren Bann, und als wir durch die Überschwemmungen in Westdeutschland im Sommer 2021 unmittelbar die Folgen des Klimawandels erlebten, wollte ich dieses Thema auch durch meine Reise nach Norddeutschland persönlich verarbeiten. Ich reiste an wesentliche Standorte in Deutschland mit wichtigen Kriterien zur Windnutzung: nach Hamburg in ein Ingenieurbüro, nach Bremerhaven ans Alfred-Wegener-Institut (AWI), nach Husum an die Wirtschaftsförderung ee.sh und zur Windmesse Husum, zu vielen Windanlagenbetreibern in Bremen, Ostfriesland und Emsland, sogar nach Helgoland, und führte Gespräche mit zahlreichen Kritiker*innen. Vor Ort kamen spontan viele Kontakte dazu.
Ich wollte meinen Gastgebern ein hübsches und typisches Geschenk aus meiner Heimatstadt München mitbringen. Meine Wahl fiel auf vier traditionelle Bierkrüge. Dass Postkarten packtechnisch eine bessere Wahl gewesen wären, fiel mir erst während der Reise auf, als ich mich mit meiner schweren Tasche in den Bus nach Hamburg setzte. Nach einer ungemütlichen zehnstündigen Nachtfahrt ging ich gleich frühmorgens in ein Ingenieurbüro, in dem vor allem an Offshore-Windrädern geforscht wird.
Leider fühlte ich mich während der ersten drei Tage so ganz allein unterwegs sehr einsam. Ich hatte nur diesen einen Kontakt in Hamburg und dort war meine Ausbeute an Informationen nicht so ergiebig wie erhofft. Meine erste Euphorie war verstrichen, ich wusste nicht, mit wem ich sprechen sollte, hatte keinen Anhaltspunkt und lief in Form einer tristen Sightseeing-Tour durch die Stadt.
Zum Glück wurde es nach Hamburg schlagartig anders. Das Wesentliche meiner Reise ist aus heutiger Sicht die Summe an Begegnungen. Und die wurden immer zahlreicher und positiver. Damit ging es auch mit meiner Stimmung wieder nach oben. Alle nahmen mich herzlich auf: der Windmüller in Dorsum auf dem Land, mit dem ich auf ein Windrad bis ganz nach oben kletterte; der Windbetreiber in Bremen, der mich auf seine Mitgliederversammlungen der Bürgerwindparks mitnahm; das Ehepaar aus Husum, das mich eine Woche lang liebevoll umsorgte; die Biologen und Forschenden des AWI in Bremerhaven, an deren Forschungsreise nach Helgoland ich teilnehmen durfte; die Wohngemeinschaft, in der ich auf dem Fußboden übernachtete. Ich war ein Teil ihres Lebens und ihrer Probleme.
Ich litt mit den Benachteiligten, ich triumphierte bei Erfolgen mit, ich fühlte mich als Teil der Windkraftgemeinschaft. Alle Aspekte wie Gewinne und Verluste im Sinn von Geld, Gebietsabtretungen, Lärmbelästigung, Verschattung, Schutzhabitate für Vögel und Fische habe ich unmittelbar erfahren.
Am Ende spielte es keine Rolle, ob mein Ziel Schottland oder Norddeutschland war. Was eine zis-Reise unter dem Strich ausmacht, sind weder ein außergewöhnliches Thema noch ein ausgefallenes Reiseland, sondern die Begegnungen mit den Menschen. Ich denke, dass genau das „zis-Glück“ bedeutet.