Ireland, still "a land of thousand welcomes"? - Flüchtlinge im Land der Emigranten

Ireland


Manchmal kommen sie auch ein Jahr nach der Reise. Diese Träume, die mich nach meiner Rückkehr nach Deutschland jede Nacht besucht haben. Ich sehe dann grenzenlose Felder mit Schafherden wie auf Postkarten, an denen ich täglich zwei Stunden mit dem Fahrrad auf dem Weg zu meiner „Arbeitsstelle“ inmitten von Nirgendwo und zurück vorbeigefahren bin. Ich sehe „meine“ afrikanisch-bosnisch-israelisch-pakistanische Kinderschar, die mit viel Radau, mit Schreien, Lachen, Schlägereien und Umarmungen malt und Schiffe und Flugzeuge, Beerenschmuck und Blumen bastelt.

Ich sehe meine Freundin Alyona. Sie wartet am Straßenrand auf mich. Ich bin pitschnass vom Regen und meine Muskeln fühlen sich bleischwer an von der einstündigen Fahrradfahrt. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr“ sagt sie mit einem müden Lächeln. Sie hat dunkle Augenringe und ungekämmte Haare. Morgen muss sie zum Gericht, wo entschieden wird ob sie in diesem Land bleiben darf oder nach Israel abgeschoben wird. Die letzten Tage ist sie aus ihrem wackeligen Caravan nicht herausgekommen, in dem sie mit ihrer Familie seit zwei Jahren lebt. Sie ist jeden Satz durchgegangen, den sie sagen wird. Sie hat Angst. Ich sehe das bunte Treiben in der Hafenstadt Galway, die Geschäftigkeit Dublins, die grauen Kirchentürme im ewigen Regen von Limerick.

Seit sich die zis-Idee in meinem Kopf festgesetzt hatte, stand für mich mein Reiseland fest. Doch ich wollte die Insel nicht nur als eine mythenumwobene Sagenwelt kennenlernen, sondern ein Herzstück in der rasanten kulturellen Entwicklung des Landes festhalten. Und so machte ich mich nach meinem Abitur auf, die besondere Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge zu erkunden.

Ich bereiste irische Großstädte und besuchte dort Flüchtlingsaufnahmestellen und ehrenamtliche Organisationen. Das Herzstück meines Aufenthaltes war die Arbeit in einem Flüchtlingslager in Athlone. Dort müssen Menschen bis zu sieben Jahren wohnen bleiben, während sie darauf warten, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Ich trommelte eine Mannschaft aus älteren Mädchen zusammen, mit denen wir für die Kleinen Mal-, Bastel- und Spielveranstaltungen organisierten. Die Ferienaktivitäten waren Neuland für mich und meine Helferinnen. Und ich durfte feststellen, dass es nicht immer teurer Förderprojekte bedarf, um insgesamt zweihundert Kinderherzen glücklich zu machen.

Das wichtigste, was ich gelernt habe, ist das Vertrauen in die Menschen. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum sie mich aufgenommen und mir, einer Fremden, so viel Zeit und Zuwendung geschenkt haben. Ich habe auch bestaunt, wie viele Möglichkeiten es gibt, sein Leben zu gestalten. Ich habe bei einer alten irischen Lady gewohnt, die sich seit mehr als zwanzig Jahren für Zuwanderer einsetzt und sich zu Hause zum größten Fan ihrer Mannschaft in der Nationalsportart Hurling verwandelt. Meine Gasteltern in Athlone sind in einem irischen Dorf aufgewachsen und wohnen in einer Kleinstadt, sind jedoch weltoffener und weitgereister als jeder Großstadtmensch. In Limerick bin ich in einer alternativen Kunststudenten-WG untergekommen, mit selbstgemachtem Baileys und Gitarrengesängen am Abend, einem riesigen Loch in der letzten Treppenstufe, das genauso zum Haus gehört wie traditioneller Haferbrei zum Frühstück. Die alleinerziehende Angela aus Ghana erfüllt sich mit ihren beiden Töchtern und ihrer alten Mutter den Lebenstraum eines bürgerlichen Lebens im eigenen Haus in Galway. In den Nächten schlief ich dreifach zusammengeklappt im Kinderbettchen der fünfjährigen Christina, das mir die kleine Familie zur Verfügung stellte.

Es war eine intensive Zeit. Die Reise war geprägt von Begegnungen, Lebensgeschichten, Träumen und Staunen über die Welt. Aber auch von Kälte, körperlicher Erschöpfung, einem unregelmäßigen Lebensrhythmus und ständigem Hunger, Tagen und Nächten in Bussen und der Trauer um mein verlorenes Tagebuch. Ich möchte weder das eine noch das andere entbehren.

Ich habe zwei Lebenseinstellungen kennengelernt. Auf der einen Seite die Hoffnungslosigkeit und die Antriebslosigkeit, die viele Bewohner des Flüchtlingslagers befallen. Sie fristen ihr Dasein jahrelang in einer abgeschirmten Welt mit der Ungewissheit über ihre Zukunft. Manche von ihnen nutzen jedoch diese Zeit, engagieren sich ehrenamtlich und für ihre Familien. Ich habe auch Menschen wie meine Gasteltern kennengelernt, die ihr ganzes Herzblut hingeben, um die Situation der Asylbewerber zu verbessern. Ich habe diese unermüdliche Aktivität bewundert, sie gelebt und ein Stückchen davon zusammen mit den irischen Rezepten, den pakistanischen und afrikanischen Abschiedsgeschenken nach Hause mitgenommen.

Der Kontakt nach einem solchen intensiven Miteinander bleibt erhalten. Mein Gastvater Gerry schrieb neulich: „Was hältst du eigentlich davon, beim Aufbau einer Klinik in Angola mitzuhelfen?“ Es gibt Menschen, die nie stillstehen werden. Eine zis-Reise ist eine kostbare Gelegenheit, auf solche Menschen zu treffen und von ihnen zu lernen.


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