Georgien — ein Land zwischen allen Stühlen? Perspektiven und Umgang mit den Konflikten um Abchasien und Südossetien

Georgia


Georgien. Für mich war dieses Land lange vollkommen unbekannt. Weder wusste ich, wo es genau lag, noch, was für eine Geschichte dieses Land durchgemacht hatte. Und erst recht nicht, wie unglaublich gastfreundlich die dort lebenden Menschen sind.

Georgien. Für mich war dieses Land lange vollkommen unbekannt. Weder wusste ich, wo es genau lag, noch, was für eine Geschichte dieses Land durchgemacht hatte. Und erst recht nicht, wie unglaublich gastfreundlich die dort lebenden Menschen sind. Während einer längeren Zugfahrt begegnete ich dann zufällig einer Georgierin, die von ihrem Land nur so schwärmte. So war schnell klar: darüber wollte ich mehr erfahren.

Die genaue Lage des Landes ließ sich einfach ausmachen. Georgien liegt von uns aus gesehen im Osten. Sehr weit im Osten. Östlicher noch als die Türkei, eingekesselt zwischen dem Schwarzen Meer im Westen und Aserbaidschan im Osten, zwischen Armenien im Süden und Russland im Norden.

Einen Überblick über die bewegte Geschichte zu bekommen, gestaltete sich hingegen sehr viel schwieriger, denn die Geschichte Georgiens ist geprägt von zahllosen Unabhängigkeitserklärungen und Besetzungen durch fremde Mächte. Hinzu kommt die große ethnische Vielfalt des Kaukasus, welche eine unglaublich reiche georgische Kultur hervorbringt. Dieselbe ethnische Vielfalt schafft jedoch auch viele Konflikte.

Bis in die heutige Zeit wirken vor allem zwei Konflikte fort: die Konflikte um Abchasien und Südossetien. Beides sind Regionen, die innerhalb der völkerrechtlich anerkannten Grenzen Georgiens liegen, die momentan jedoch von russischen Truppen besetzt sind, offiziell zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit.

So kam ich schließlich zu meinem Reisethema: „Georgien – Ein Land zwischen allen Stühlen? Perspektiven und Umgang mit den Konflikten um Abchasien und Südossetien“. Meine Hoffnung war, mehr über den Ursprung dieser Konflikte, ihre unterschiedliche Wahrnehmung und besonders die unterschiedlichen Lösungsansätze zu erfahren.

Mit diesen Plänen im Kopf machte ich mich also auf den Weg nach Georgien, mit dem Bus zuerst durch zahllose Länder Osteuropas und anschließend durch die Türkei. Busfahr- ten, die insgesamt mehrere Tagen in Anspruch nehmen sollten. Und schon zu Beginn dieser Reise wurde mir das vielzitierte zis- Glück zuteil: mit Hilfe eines unglaublich gastfreundlichen türkischen Mitreisenden durfte ich einen Tag lang völlig ungeplante, spannende Einblicke in die türkische Kultur sowie die besondere Situation von türkischen Gastarbeiter*innen im Ausland bekommen. Teşekkürler Sheref!

Doch auch als ich in Georgien angekommen war, hörte das Glück nicht auf. Gleich nach meiner Ankunft in Tbilisi, der Hauptstadt Georgiens und mein erster Stopp im Land, wurde ich zu einer georgischen Feier eingeladen. Niemand wusste zwar so genau, was es gerade zu feiern gab, aber anscheinend genügte auch einfach der mild-warme Sonntagabend bei bestem Wetter als Anlass. Dazu muss man wissen, dass Feiern mit opulentem Festessen ein fester Bestandteil der georgischen DNA sind.

Trotz der ausgelassenen Feierstimmung blieb jedoch die weltpolitische Lage nicht außen vor. Das konnte sie auch nicht angesichts all der Feiernden aus Russland, Belarus und Georgien – alles junge Menschen, die spätestens aufgrund der schrecklichen Ereignisse seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 aus ihrer Heimat fliehen mussten. Auch einige Tage später überschatteten die nahen weltpolitischen Ereignisse ein weiteres Mal meinen Aufenthalt in Georgien: infolge der Mobilmachung Russlands kamen erneut zahllose russische Menschen in Georgien an, in der Mehrzahl Männer.

Die unglaublich schwierige Lebenssituation, aber auch die Hoffnung und den Mut dieser direkt betroffenen Menschen so nahe mitzuerleben, hat mich tief beeindruckt. Diese Erfahrungen zeigten mir ein weiteres Mal, wie glücklich wir uns schätzen können, in einem so stabilen Land wie Deutschland zu leben – ein Privileg, das jeden Tag von uns allen aufs Neue mitgestaltet und verteidigt werden muss.

Zurück nach Georgien: Dort waren die weiteren Tage geprägt von zahlreichen Interviews und Gesprächen mit den unterschiedlichsten Akteur*innen. Von staatlichen Stellen über das UNHCR (das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen), bis hin zu politischen Stiftungen und lokalen Geistlichen war dabei der Grundtenor immer derselbe: Die momentane Situation ist aufgrund der abscheulichen Verbrechen beider Seiten in vorausgegangenen Konflikten ziemlich festgefahren. Zwar ist die Hand Georgiens zu den separatistischen Gebieten weiterhin ausgestreckt, jedoch blockiert vor allem Russland als Besatzungsmacht jegliche konstruktive Annäherung. Das alles geschieht wie so oft auf dem Rücken der in den Gebieten und Grenzregionen lebenden Menschen. Die allgemeine humanitäre Situation dort ist zwar stabil aber geprägt von vielen Problemen.

Um mehr über diese humanitäre Situation zu erfahren und direkt mit den dort lebenden Menschen ins Gespräch zu kommen, plante ich nach Zugdidi an der Grenze zu Abchasien zu reisen. Doch wie so oft kam es ganz anders: ein anderes globales Thema hatte mich eingeholt, sodass ich eine Woche lang in diesem fremden Land ohne größere Sprachkenntnisse eine COVID-19 Infektion auszukurieren hatte.

Aufgrund dieser ungeplanten Erholungspause rückte das Ende meiner Reise und damit der Abschied von Georgien immer näher. Wenigstens wollte ich noch die Natur und die Umgebung erkunden, weshalb ich mich zu einer Wanderung entschloss. Und auch da wurde mir ein weiteres Mal das wunderbare zis-Glück zuteil: Von einem heftigen Gewitter überrascht bekam ich spontan Unterschlupf bei einer bäuerlichen Familie. Der georgischen Gastfreundschaft entsprechend natürlich wieder einmal begleitet von einem großen Festmahl. Matloba Dawit!

So bleiben von dieser zis-Reise voller Überraschungen viele prägende Erinnerungen. Mehrmals sind die Dinge nicht wirklich nach Plan verlaufen, sodass mir nur blieb, das Beste aus der Situation zu machen. Aber manchmal ist genau dies das Beste, was einem widerfahren kann.

Rückblickend bin ich vor allem dankbar für die unglaubliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die ich von den unterschiedlichsten Menschen erfahren durfte.


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