Irans junge Opposition - die langsame Evolution der iranischen Jugend

Iran


Am zweiten Tag nach meiner letzten schriftlichen Schulprüfung machte ich mich auf den Weg. Mein Reisziel war der Iran. In den kommenden viereinhalb Wochen wollte ich mich mit den iranischen Jugendlichen auseinandersetzen.

An die zis-Bedingungen geknüpft, konnte ich den Luftweg bereits am Anfang meiner Planung ausschließen. Eine Zugfahrt à la Orientexpress oder Bagdadbahn stellte ich mir sehr treffend für meine Unternehmung vor. Gleichwohl wurde am Ende eine lange Busreise daraus, von Stuttgart erst einmal nach Istanbul. Nach zwei weiteren Tagen Busfahrt erreichte ich Teheran. Ziemlich überwältigt von der schieren Größe dieser Stadt war ich froh, endlich bei den Eltern eines Schulfreundes anzukommen.

Aus Gesprächen mit iranischen Freunden war mir bewusst, dass man nach politischer Opposition nicht lange suchen musste. Die Schwierigkeit lag jedoch darin, Menschen zu finden, die darüber reden wollten. Meine Befürchtung erfüllte sich dennoch nicht. Ich lernte durch meine noch in Deutschland getätigte Kontaktaufnahme zwei Freunde kennen, die meine zis-Reise sehr prägten. Beide waren starke Gegner der gegenwärtigen islamischen Regierung. Doch während der eine versuchte, sich der Situation weitgehend anzupassen und durch sein Universitätsstudium ins Ausland zu gehen, ist der andere verbotenerweise zum Christentum übergetreten. Wegen Lesens der Bibel an seinem Arbeitsplatz wurde er entlassen.

Die beiden unternehmen mit mir einen fünftägigen Ausflug in den Norden, nach Bandar Anzali am Kaspischen Meer. Zur Zeit der Khomeini-Feiertage, als im Staatsfernsehen das Sterbevideo des Revolutionsführers auf und ab lief, fuhren wir nach “Shomal” (=Norden), wo die jungen Teheraner zu dieser Zeit gerne ausgelassen feiern. Dort ist Platz zum Campen, Freigrillen, Baden, Alkohol und Boot fahren in verwinkelten Lagunen. Doch nicht nur die positiven Seiten des Lebens erlebe ich hier. Viele junge Männer verfallen durch Perspektivlosigkeit gerade in ländlichen Gebieten dem Drogenkonsum, und mir werden stolz die Gewächse vorgeführt.

Nach meinem spontanen Ausflug nach Norden reise ich mit dem Bus nach Shiraz, Fasa und Isfahan, bevor ich wieder in Tehran ankomme. Zu erwähnen ist dabei nebst der faszinierenden Landschaft, den tollen Moscheen die große Gastfreundschaft der Perser. An keinem Ort bekomme ich nicht einen riesigen Teller voller Früchte und Schwarztee serviert. Während viele der 16- bis 20-jährigen Iraner das Thema Politik meist ausblenden und hinter den Mauern der Privathäuser ihren Spaß haben, sind viele ihrer Eltern interessiert daran, sich mit mir über Wirtschaft und Politik zu unterhalten. Ich höre bald auf, die bei uns irantypischen Medienthemen wie Nuklearanlagen und Israel zu thematisieren, da dies die Iraner schlichtweg nicht interessiert. Viel wichtiger ist den Menschen das Versagen wichtiger öffentlicher Funktionen, und mir fällt auf, wie viel Potential in diesem Land steckt und wie viel davon durch mangelhafte Regierungsaktivität verloren geht.

 

Ein Fazit meiner zis-Reise ist sicherlich, dass es keine Pauschalantwort für die Situation der persischen Jugendlichen gibt. Spätestens nach der Präsidentschaftswahl 2009 wurde die Abneigung vieler iranischer Jugendlicher gegenüber dem politischen System auch für den Rest der Welt offenkundig. Jedoch war ich begeistert von einem strenggläubigen Studenten, der mit mir im Bus die Ohrstöpsel seines MP3-Player teilte, mir das Busticket zahlen wollte und sich dafür entschuldigte, dass er nicht ganz auf dem Stand der westlichen Musikszene war. Ich war gerührt von einem iranischen Offizier, der gleichzeitig stolz auf seine Herkunft war, aber bedauerte, dass durch die außenpolitische Isolation seines Landes weniger fremde Besucher kommen. Er holte ein Buch aus seiner Tasche, Einstein auf Persisch. Er hat es mit einem Zeitungsteil eingebunden, in dem Angela Merkel auffallend farbig gekleidet zwischen EU-Politikern steht. Einstein ist sein Lieblingsdeutscher.

Zwar fand ich es immer sehr unangenehm häufig etwas verstaubt und unrasiert vor fremden Menschen aufzutauchen und diese um Hilfe zu bitten, ohne etwas zurückgeben zu können. Doch so langsam ist es wieder Zeit, in den Bus zu steigen.


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